Rund 350’000 Schafe weiden in der Schweiz. Im Sommer grasen viele von diesen Tieren in den Alpen, im Winter werden sie auf Bauernhöfen gefüttert und einige Tausend sind in einem Dutzend Wanderherden unterwegs. Schafe sind Sympathieträger, etwas im Hinter-grund steht die Nutzung der Produkte, welche die Tiere uns liefern. Vor allem bei der Wolle stehen nur schon die Kosten der Schur in keinem Verhältnis zum Preis, den das Rohprodukt am Markt erzielt.
Gut zwei Dutzend kleine und mittlere Unternehmen, verteilt über die ganze Schweiz, engagieren sich in der Verwertung der inländischen Schafwolle und setzen eine hunderte Jahre alte Tradition im Land fort, aus dem Rohstoff wirtschaftlichen Wert zu schöpfen. Die Branche sammelt jährlich rund 600 bis 700 Tonnen Rohwolle. Von dieser Menge wird der grösste Teil zu verschiedensten Erzeugnissen verarbeitet.
Übersicht über die Standorte der
Schafwollverwertungsbetriebe
In der Schweiz (Namen, Stand-
orte und Websites in der Tabelle unten; die Liste wird laufend aktualisiert).
Der Bund unterstützt die Branche
Verglichen mit der Milchwirtschaft oder der Schweine- und Geflügelhaltung stehen Schafhalter und die nachgelagerten Verwertungsbetriebe der Branche nicht im Fokus der schweizerischen Landwirtschaftspolitik. Aber immerhin unterstützt der Bund mit einem finanziellen Beitrag das Sammeln und verwerten der Schafwolle. Bei den Reformen der Agrarpolitik wurde diese Massnahme auch schon in Frage gestellt. Das Argument, ohne Beihilfe drohe die Entsorgung der Wolle als Abfall, überzeugte eine Mehrheit des Parlamentes, die knappe Million Franken pro Jahr nicht zu streichen.
Weltweit gilt der gleiche Trend wie in der Schweiz: Schurwolle ist unter Konkurrenzdruck durch andere Naturprodukte wie Baumwolle und durch synthetische Fasern. Im europäischen Umfeld kämpfen vor allem Regionen, wo sich Schafe wegen den klimatischen Bedingungen oder wegen bergigen Landschaften besonders gut zur Landbewirtschaftung eignen, mit strukturellen Problemen. Gewerbe und Kleinindustrien zur Wollverwertung sind im Niedergang. Besonders kritisch ist das Angebot an Wollwaschmöglichkeiten für grössere Mengen. Denn ohne Waschanlagen, keine Weiterverarbeitung der Wolle.
Wolle waschen – ein Flaschenhals
Besonders bewusst wurde der Flaschenhals für das Waschen von Schafwolle, als die grösste Anlage in Westeuropa im Süden von Belgien bei den Hochwassern von 2021 dermassen in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass der Betrieb über Monate unterbrochen blieb. Auch aus der Schweiz stauten sich Waschaufträge auf. Nicht verwunderlich, dass der Wunsch nach einer Wollwaschanlage in der Schweiz Auftrieb erhielt. Nicht zum ersten Mal. Doch die Hürden für ein realisierbares Projekt sind hoch. Die Rentabilität einer solchen Anlage wird in Frage gestellt. Technische Anlagen werden auf dem Weltmarkt angeboten. Doch der Wasser¬verbrauch inklusive Wiederaufbereitung ohne Umweltbelastung nach schweizerischem Standard ist ein grosser Kostenfaktor.
Für das Waschen grosser Mengen bleibt die schweizerische Schafwollbranche vom Transport in die EU abhängig. Für Kleinmengen gibt es im Inland einige wenige Dienstleister. Bei den Waschpreisen liegen sie jedoch um ein Mehrfaches höher als die Industrieanlage in Belgien.
Waschanlagen in der EU und
Kleinmengenangebote im Inland
(Namen, Standorte und Web-
sites in der Tabelle unten; die Liste
wird laufend aktualisiert).
Breitere Zusammenarbeit notwendig
Die Schafwollbranche lebt von den individuellen Anstrengungen eigenständiger Verwer¬tungs-betriebe, die sich in einem kleinen Markt behaupten müssen. Man kennt und kon¬kurrenziert sich. Zusammen gearbeitet wird von Fall zu Fall, wenn es den Beteiligten nützlich scheint. Wollte man die Kräfte gegenüber der Öffentlichkeit bündeln oder um bei den Behörden mehr Gewicht zu haben, wäre eine breitere Zusammenarbeit wünschenswert.
Pro Wolle Schweiz kämpft als Selbsthilfeorganisation von Schafhaltern und Verwertungs-betrieben für überbetriebliche Zusammenarbeit. In der Organisation möchte man sich von regionaler Bedeutung zum schweizerischen Wirkungsfeld weiterentwickeln. Das Projekt ist von der Schafwollbranche zwar positiv aufgenommen worden, aber von der Realisierung noch mehr als einen Schritt weg.